Eine Stadt schafft sich ab

Am 12.07.2021 hat der Hildesheimer Rat ein Musikverbot ab 21 Uhr in der Hildesheimer Steingrube beschlossen. Auch Basketballspielen ist dann verboten. Ich erinnere mich noch an das Rollschuhfeld vor dem Umbau der Parkanlage und das spätere Verbot zum Skateboardfahren nach der Neugestaltung. Aus Lärmschutzgründen.

Als Anwohner der Tonkuhle bin ich von den nächtlichen Streifzügen der Badegäste auf dem Nachhauseweg betroffen. Die Musik der tragbaren Bluetoothboxen trifft selten meinen Musikgeschmack. In diesem Jahr kam das bisher an ca. 5 Tagen vor. Da war das Wetter sehr gut. Im letzten Jahr waren es auch bestimmt 10 Tage. Das ist überschaubar. In diesem Jahr habe ich mich eher gefreut, dass diese Menschen eine gute Zeit leben und einen Platz gefunden habe, sich wieder zusammen zu begegnen.

Musik ist ein Kulturgut und bringt Menschen zusammen. Sie stärkt unser Zusammenleben, löst Emotionen aus und ist ein verbindender Teil unserer Gesellschaft.

Wie kann sich Hildesheim in den nächsten Jahrzehnten entwickeln und in welcher Stadt möchten wir leben? Das soziale Miteinander und das kulturelle Erleben wird immer mehr Verboten und Regeln unterworfen. Die Lebensqualität in der Stadt schwindet weiter und in der Folge verliert die Stadt an Attraktivität. Es lässt sich bereits heute deutlich ablesen, das gerade junge Leute diese Stadt so schnell wie möglich wieder verlassen, sobald ihr Auftrag (Studium, Ausbildung, Beziehung etc.) erfüllt ist.

Natürlich müssen die Bedürfnisse der Anwohner ernst genommen werden. Das ist klar. Es geht hier jedoch um eine langfristige Strategie, wie eine Stadt sich verändert und ihren Aufbau gestaltet. Vor dieser Aufgabe stehen viele Städte und es gibt Lösungsstrategien, die nicht neu erfunden werden müssen.

Der Kulturraumschutz z.B. benennt  geografische Bereiche der Stadt, wo andere Regeln gelten: Eine Verlagerung der Sperrstunde, schalldämmende Baumaßnahmen und zukünftige Anwohner die mit einer stärkeren Lärmentwicklung rechnen müssen, wenn sie sich in diesen Bereichen ansiedeln. Das geht nicht von heute auf morgen. Es muss aber in allen zukünftigen Entscheidungen mitgedacht werden.

Mit schwindender Attraktivität der Stadt, schwindet letztendlich auch die Kaufkraft in der Region.
Dazu kommt noch die politische Entscheidungswaage. Es kann nicht sein, dass 2-3 Anwohner es durch die Wahrnehmung ihrer Rechte schaffen, die Freiheiten von hunderten einzuschränken (Hohnsensee, Tonkuhle, Steingrube, etc.). Wir geraten hier sehenden Auges in eine Schieflage die wiederum Frust und Ärger bei viel mehr Menschen nach sich zieht, als bei der Anzahl derer, die sich in ihren Rechten verletzt fühlen.

Wenn wir jetzt noch auf die letzten 15 Monate zurückblicken, ist es gerade die junge Generation die während der Pandemie auf vieles verzichten musste und für den Schutz der „erwachsenen“ Bevölkerung durchgehalten hat. Der pandemische Verlauf und die  noch nicht absehbaren Auswirkungen auf diese Generation im Hinblick auf ihre soziale, menschliche Entwicklung gebietet uns die absolute Notwendigkeit ihnen Freiräume zu ermöglichen. Auch nach 21 Uhr. Auch wenn es dem Einen oder der Anderen nicht passt. Die Gesellschaft besteht schon lange nicht mehr nur aus Berufstätigen die um 21:30 Uhr schlafen gehen müssen und davor noch in Ruhe Netflix schauen wollen. Da passiert noch so viel mehr. Draußen. Auch auf dem Basketballfeld. Gerne mit Musik.

Beitrag auf facebook liken.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.