Zu meinem letzten Beitrag erreichten mich zahlreiche Zuschriften. Mein Zitat: “Da kommt Wehner. Lass uns mal abhauen.”, führte zu reger Nachfrage. War ich damals ein siedlungsbekannter Schläger vor dem man Reißaus nehmen musste?
Die Antwort lautet: Nein! 1979 war es für einen siebenjährigen Jungen das größte Ziel einen Walkman zu besitzen. Sony brachte damals diese kleinen, blauen, tragbaren Kassettenabspielgeräte mit orangenen Kopfhörerpuscheln auf den Markt. Damit ließ sich überall und zu jeder Zeit Drei Fragezeichen oder noch wilderes Zeug hören.
Mein Vater stammt aus der Generation, die wo früher nichts hatten. Insofern wurde auch generell kein Geld für Schnickschnack ausgegeben. Miete, Lebensmittel vom Aldi und einmal pro Jahr drei Wochen Dänemark inklusive palettenweise River-Orange und geschmuggeltem Karlsquell Edel-Pils aus der Dose.
ALLES andere wurde selbst gemacht: Autos repariert und lackiert (wir hatten einen gelben Mercedes Strichacht der in großen Flächen gespachtelt und mit Farbe nachgepinselt wurde), Schuhe geflickt, Hosen abgenäht, eingekocht, aufgewärmt, gehortet für schlechte Zeiten und natürlich hat mein Vater auch einen eigenen Walkman hergestellt. Wozu für etwas Geld bezahlen, was wir längst im Haus hatten.
Mein Vater-Rudi-Signature-Walkmann hatte als Basis einen SL55 Automatic Kassettenrekorder von Schaub Lorenz. An diesem wurde kurzerhand ein grober Lederriemen mittels Schrauben fixiert. Als Kopfhörer kam ein schwarzer AKG Studio mit riesengroßen Ohrmuscheln zum Einsatz. Dieses Apparatur wurde klein Stefan wie ein Brustbeutel um den Hals gehängt und los ging es. Der Kassettenrekorder hatte die Größe eines DIN A4 Blattes und bedeckte somit meinen kompletten, kindlichen Oberkörper. Der Kopfhörer war viel zu groß, konnte jedoch wegen dem strammen Bügel beim Gehen nicht abrutschen. Frisur hatte ich keine. Meine Kleidung würde man heutzutage mit Vintage bezeichnen.
Es war nicht ganz dass, was ich mir gewünscht hatte – trotzdem spazierte ich einigermaßen stolz durch unsere Siedlung und hörte Den sprechenden Wecker oder Den Superpapagei. Oder irgendwas anderes von den Drei Fragezeichen.
Für Außenstehende sah das vermutlich relativ absonderlich aus. Traf ich in dieser Aufmachung auf Gleichaltrige hießt es daher oft: “Da kommt Wehner. Lass uns mal abhauen.”
Mir machte das nichts aus. Ich war eh lieber allein mit meinen Hörspielen. Außerdem durfte ich solange Draußen bleiben, bis die Laternen angingen.
2 Replies to “Lass uns mal abhauen”
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Ich hab ne Anmerkung zum strichachter. Neulich sass ich mit Taxifahrer Klaus zusammen und der hat mir den Glühmechanismus erklärt! Hinter dem Gitter am Armaturenbrett glühte tatsächlich ein Draht! Eigentlich ein Fake, aber echtes Glühen! Quasi synchron zum echten Glühen vorne im Motor. Darüber hab ich nach den Fahrten immer nachgedacht…
Und bitte…
…und der seltsame Wecker.